Authentischer Bericht eines „meiner“ Paare

Wortlaut wurde entnommen aus der Zeitschrift „Lisa“ vom 03.02.2003. Mit freundlicher Genehmigung seitens des Verlages sowie seitens des Paares.

Vorbemerkung: Jede Paartherapie verläuft anders, weil jedes Paar individuelle Fragen und Änderungsmöglichkeiten hat. Diese zu erschließen und so die ganz persönlichen Wege zu den eigenen Zielen als Paar zu finden ist auch Aufgabe der Therapie. Siehe auch: Wie läuft eine „Beziehungsheilung“ ab?

Nach fünf Jahren Ehe wuchsen die Probleme im Alltag zu Bergen.
„Was willst du? Ich soll mit zu einer Paartherapie gehen? Du spinnst ja wohl!“
Morwena K. stemmt demonstrativ die Hände in die Seiten. „Genau so hat Heiko reagiert, als ich ihm den Vorschlag machte. Wenn ich ihn nicht jeden Tag bearbeitet hätte, wäre er nie mitgekommen. Stimmt`s?“
Liebevoll knufft die 31-Jährige ihren Mann in die Seite.
Heiko K. windet sich etwas verlegen auf seinem Stuhl: „Ich dachte, unsere Probleme gehen keinen was an. Aber Morwena ließ nicht locker – wie immer!“
Morwena, das Temperamentsbündel, und der ruhige Heiko – am Anfang ihrer Liebe ergänzten sie sich ideal. Doch dann begann das Gleichgewicht zu kippen. „Es war ein schleichender Prozess.“ sagt die junge Frau. „Irgendwann waren wir nur noch von einander genervt.“

In fünf Jahren Ehe türmten sich die Alltagsbelastungen auf. Da war Heikos 17-jährige Schwester, die bei den beiden wohnte, seit sie sich mit ihren Eltern überworfen hatte. Wegen ihr rastete Morwena immer öfter aus. „Sie half nicht im Haushalt, machte nur Mist, und ich musste allein für sie da sein, weil Heiko immer arbeitete.“
Seit Heiko zum stellvertretenden Leiter eines Baumarktes befördert worden war, machte er häufig Überstunden. Weswegen der angespannten Morwena zu Hause immer öfter der Kragen platzte. „Wenn das Telefon im Büro klingelte, dann wusste ich schon, das sie es war, um zu fragen, wann ich komme.“ Heiko seufzt. „Ich hab oft barsch gesagt: „Wenn ich fertig bin, kapier das endlich.““ Zu Hause herrschte dann nur noch eine Eiszeit der Gefühle.
„Es war ein Teufelskreis“, so Morwena. „Ich habe das nicht mehr ertragen.“

So entschloss sie sich zu handeln. bevor ihre Ehe endgültig am Ende war. Und redete auf Heiko ein, bis er der Therapie zustimmte.

Die erste Sitzung bei dem Therapeuten war völlig verkrampft. Heiko misstraute dem Fremden und schaltete auf stur.
„Er tat so, als ginge ihn all das nichts an“, so Morwena. „Das machte mich wütend.“
Heiko verdreht die Augen. „Wenn sie laut wird, dann kann ich ihr nicht zuhören.“
Ihren ganzen Alltagsfrust hauten sie sich in dieser ersten Stunde um die Ohren. Der Therapeut ließ sie sich austoben. Und schlug dann vor, in den nächsten Stunden gemeinsam zu überlegen, wie sie vielleicht anders mit ihren Alltagsproblemen umgehen könnten.

Überraschende Erkenntnisse gab es schon nach der zweiten Sitzung. „Ich habe Morwena zum Beispiel oft gar nicht klar gesagt, wenn ich später komme und warum.“ so Heiko. Sich gegenseitig zu informieren anstatt vorauszusetzen, dass der andere weiß, was man von ihm erwartet: „Wir haben das sofort in die Praxis umgesetzt“, erzählt Morwena. „Es funktionierte zwar nicht immer aber wir setzten uns nicht mehr so unter Druck.“

In den Gesprächen mit dem Therapeuten ging es jetzt mehr und mehr „ans Eingemachte“, wie Heiko sagt.
„Ich merkte, wie schwer es mir fällt, meine Gefühle zu zeigen.“
Und der Therapeut gab ihm eine spezielle „Hausaufgabe“. Er sollte immer mal einen Moment innehalten und Morwena sagen, was er gerade fühlte – egal ob beim Essen, beim Aufräumen oder wenn das Telefon klingelte. „Erst fand ich das albern“, erinnert er sich. „Aber dann wurde mir klar, wie viel ich sonst runterschlucke.“
Morwena erkannte, dass sie Heiko mit ihrer impulsiven Art oft überfahren hatte.
„Ich bin immer gleich auf 180“, sagt sie selbstkritisch. Jetzt versucht sie, erst mal bis zehn zu zählen, statt sofort hochzugehen.

Es sei gewesen, als öffneten sich mit jeder Therapiestunde neue Türen zueinander, meinen beide.

Und dann standen sie vor einer Tür, die im Laufe der Jahre immer dickere Stahlschichten angesetzt hatte. Das Thema war zwar beiden bewusst. Über ihre Gefühle dabei hatten sie aber niemals zuvor miteinander offen gesprochen. „Wir haben schon alles Mögliche versucht, um ein Kind zu bekommen“, so Morwena. „Aber es klappt einfach nicht.“
Die Stunde. in der sie in der Therapie auf diesen Punkt kamen, war schwierig. Und bewegend. Mehr wollen sie darüber nicht sagen. Es gibt Dinge, die gehen nur zwei Menschen etwas an. Einen Moment lang ist es still im Raum.

Der Therapeut habe ihnen noch mehr Hausaufgaben gegeben, bricht Heiko schließlich das Schweigen: „Wir sollen uns mindestens einmal täglich in den Arm nehmen, einfach so.“ Morwena lächelt. „Schon verrückt, wie schnell man die Zärtlichkeit vergisst“, setzt sie dann hinzu. Und schmiegt sich an Heikos Schulter.

Nach einem halben Jahr Therapie hatte beide das Gefühl, in der Stunde nur noch zu schwätzen. „Da wussten wir, wir brauchen ihn nicht mehr.“
In ihrer Beziehung läuft es seitdem wieder großartig.
Für ein Problem allerdings fanden sie auch in den Therapiestunden keine Lösung. „Vielleicht bekommen wir ja wirklich nie ein Kind“, sagt Morwena leise. Heiko legt ihr fest den Arm um die Schultern. „Wir lernen, damit zu leben“, meint er dann. „Und vielleicht klappt es ja doch eines Tages noch ...“

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